Zündkurve
PROGRAMMIERBARE
ZÜNDANLAGE FÜR 2-TAKTER?
Die haben doch immer einen festen Zündzeitpunkt,
oder?
Das stimmt wohl für die meisten 2-Taktmotoren.
Und zwar hauptsächlich aus 4 Gründen:
- Das Teil – sei es ein Rasenmäher oder ein 50ccm-Moped – muss billig in der
Herstellung sein,
- einfach bezüglich der Wartung und unempfindlich,
- Maximalleistung war nicht erforderlich
- zur Zeit der Herstellung waren digitale Zündanlagen nicht möglich oder sau
teuer
(und heute
werden leistungsstarke 2-Takter längst nicht mehr gebaut)
Gehen wir zunächst ganz pragmatisch an die Sache heran:
(und ich versuche dabei, die Erklärungen möglichst einfach zu halten und
mich auf das Wesentlichste zu beschränken.)
Ein 2-Takter steht auf dem Leistungsprüfstand, dem Kunden ist die
Leistungscharakteristik (rote Kurve) zu scharf,
er hätte gerne ein breiter nutzbares
Drehzahlband.
Es wurde nur der Zündzeitpunkt um 4 Grad zurück genommen
und schon war das vorgegebene Ziel erreicht.

Die Leistung ist zwar größtenteils gesunken,
dafür zieht der Motor 800 Umdrehungen weiter durch.
Über eine programmierbare Zündanlage kombinieren wir nun die beiden
Zündzeitpunkte:

Wie man nun erkennen kann, ist über eine nur
leicht optimierte Zündkurve doch noch einiges an Leistung heraus zu holen.
ERKLÄRUNG:
Betrachten wir nur eine einzige
Kurbelwellenumdrehung eines laufenden 2-Takt-Motors, welcher ohne Hilfsmittel
wie Einlassmembranen oder Auslass-Steuerung (Powervalve) klar kommen muss:
Um diesen Motor zu optimieren, müssten wir die
die Schwingungen des Abgases beeinflussen können, also die
Auspufflänge im Fahrbetrieb, die Höhe des
Auslasskanals (Powervalve) und/oder die
Abgasgeschwindigkeit ändern.
Also: Eine veränderliche Auslasskanalhöhe könnte helfen, womit der Beginn der
Ausströmung des Abgases,
also auch
der Zeitpunkt der Rückförderung des Frischgases beeinflusst wird.
Sowas nachzurüsten ist jedoch mit einem gehörigen Aufwand verbunden.
Versuche mit veränderlicher Auspufflänge gab es auch schon, jedoch ist auch
hier der mechanische Aufwand enorm.
Geht der Kolben nach oben (richtung
oberer Totpunkt = OT) wird das Frischgas in das Kurbelgehäuse angesaugt und
bei der
Abwärtsbewegung des Kolbens beginnt mit Öffnung der Überstömkanäle
kurz vor UT (unterer Totpunkt)
das Einströmen in den Brennraum. Gleichzeitig ist
der Auslasskanal offen und es herrscht noch die Abgasströmung
zum
Auspuff hin. Also geht ein Teil des frischen, unverbrannten Gemischs erstmal
dorthin verloren.
Währenddessen beginnt der Kolben mit seiner Aufwärtsbewegung und verschließt
zunächst die Überströmkanäle.
Etwa zur
gleichen Zeit gelangt die Abgasströmung im Auspuff an dessen Endkonus und wechselt die Richtung
zurück zur Auslassöffnung. Nun wird das brennbare
Gemisch, welches eben erst den Brennraum verlassen hat,
gerade noch rechtzeitig dort wieder hinein gedrückt, bevor der Aufwärts kommende Kolben den
Auslasskanal
schließt. Jetzt erfolgt die Zündung im prall
gefüllten (aufgeladenen) Brennraum.
Bei der idealen Motordrehzahl passen Ansaug-, Auspufflänge und
Abgasgeschwindigkeit so zusammen,
dass die Abgase nahezu das komplette Frischgas in
den Brennraum zurück fördern und der Kolben den
Auslasskanal schließt, bevor verbranntes Altgas mit hinein kommt.
Ist die Drehzahl zu hoch, verbleibt viel Frischgas im Auspuff. Ist sie zu
niedrig, kommt eine
Menge Altgas mit in den
Brennraum.
Beide Fälle stören die optimale Verbrennung, die Leistung sinkt stark ab.
Am schlimmsten sind ganz niedrige Drehzahlen oder zu kurzer Auspuff. Das Abgas
wird aus dem Brennraum gespült,
kommt aber so früh schon wieder zurück, dass die
Überströmkanäle noch nicht geschlossen sind.
Dadurch wird die Einströmung des Frischgases aus
dem Kurbelgehäuse gestoppt und der nächste
Ansaugvorgang blockiert, weil im Kurbelgehäuse
noch Druck herrscht.
Obendrein wechselt bei nun geschlossenen Überströmkanälen die Strömungsrichtung
des Abgases wieder
Richtung
Auspuff und saugt das bisschen Frischgas, was es bis in den Zylinder geschafft
hat, mit hinaus.
Hier haben wir die Ursache, warum ein Zweitakter in einem bestimmten
Drehzahlbereich
viel
Leistung bringt, diese darunter und darüber jedoch recht gering ist und er in
ganz
ungünstigen Fällen regelrecht bockt und dabei
eine Menge Sprit unverbrannt aus dem
Auspuff scheucht. So kommen die hohen Abgaswerte
speziell beim unverbrannten Kohlenwasserstoff (CH)
zustande, die diesem Motorprinziep
das Aus auf unseren Strassen beschert haben.
Eine Chance
bleibt aber noch:
Die Abgasgeschwindigkeit ist auch von der
Abgastemperatur abhängig, welche wiederum mit der
Verbrennungstemperatur und Geschwindigkeit zusammen hängt. Und die Verbrennung können wir mit dem
Zündzeitpunkt beeinflussen.
Natürlich spielen auch Verdichtung, Quetschkante, Gemischzusammensetzung
etc. eine große Rolle,
aber das lassen wir hier mal außen vor.
Die Verbrennungstemperatur liegt in der Regel zwischen 2000°C und 2500°C.
Während der Expansion, bei sich abwärts bewegendem Kolben, kühlt das verbrannte
Gas auf etwa 580°C - 620°C herunter.
20 Grad
mehr oder weniger ändern die Abgasgeschwindigkeit deutlich und führen letztlich
zu einer stark
veränderter Leistungsentwicklung!
- Bei frühem Zündzeitpunkt und entsprechend früher Verbrennung sinkt die
Abgastemperatur stärker und somit auch
Abgasdruck
und Geschwindigkeit. Das bei der Zylinderspülung bereits ausgetretene Frischgas
wird so relativ
spät
zurück in den Zylinder gefördert. Gut für niedrige Drehzahlen.
- Bei spätem Zündzeitpunkt steigen Abgastemperatur und Geschwindigkeit an, das
Frischgas wird früher zurück gefördert.
Also: Bei niedrigen Drehzahlen soll die Verbrennung früh beginnen, bei hohen
Drehzahlen spät.
Die Zeit, bis das brennbare Gemisch tatsächlich Druck aufbaut muss natürlich
mit einbezogen werden, so dass der
Zündzeitpunkt also immer vor dem oberen Totpunkt
des Kolbens liegen wird. Bei Leerlaufdrehzahl liegt der meist
bei 10 – 15° vor OT. Beim Anfahren brauchen wir
aber schon Leistung, Füllung und Drehzahl ändern sich.
Ab hier müssen wir den Zündzeitpunkt anpassen.
wie finde ich
die optimale Zündkurve?
Ein 125er 2T-Motor für die Rennstrecke kann bei
2000/min schon mal 32° Frühzündung und mehr aufweisen,
da hier die Strömungsgeschwindigkeiten mit dem
hohen Auslassbeginn überhaupt nicht zusammen passen.
Aber dafür ist dieser Motor ja auch nicht gemacht, denn seine optimale Funktion
und Maximalleistung liegen
bei 12000-13000/min. Dort dürfte der optimale
Zündzeitpunkt nur 5-15° vor OT liegen.
Eine RD500 beispielsweise zündet originaler Weise bei 3500 bis 4000/min rund
30° v.OT, bei Hoher Drehzahl
liegt dann
der ZZP bei 8° v.OT.
Ein 2-Takter aus den 60er Jahren verkraftet vielleicht nur 18°/3500 und braucht
jedoch - wegen völlig anderer
Auslegung und der Strömungsverhältnisse im
Auspuff - auch bei 6500 noch immer 18-20° Frühzündung.
Wir beginnen mit fest eingestelltem Zündzeitpunkt bei 10° v.OT
und machen eine Leistungsmessung bis zur
Enddrehzahl. Gleiches mit 12°, 14°, 16° etc., bis
wir den originalen Zündzeitpunkt (zB. 24° v.OT) erreicht haben.
Dabei lassen wir immer die Drehzahlbereiche aus,
bei denen die Leistung nicht mehr ansteigt und
belassen die optimalen Werte in der Kurve.
Angenommen, bei 8000/min haben wir mit 12° v.OT.
gegenüber 10° bereits keine Leistungssteigerung erreicht.
Also programmieren wir in der Zündkurve die 10°
bereits ein und messen mit 14° nur noch bis 7000.
So erarbeiten wir Punkt für Punkt eine Zündkurve.
Insgesamt müssen wir sehr vorsichtig an die Sache heran gehen! Ein
deutlich zu früher Zündzeitpunkt
(oder zu
mageres Kraftstoff-/Luftgemisch) kann uns einen Motorschaden bescheren.
Es ist also viel Arbeit, Erfahrung und Gefühl am Leistungsprüfstand nötig, um
die optimale
Kurve heraus zu arbeiten.
Jede kleine Änderung am Auspuff, Ansaugbereich oder den Kanälen kann die
erarbeiteten Werte zunichte
machen und es muss von vorne begonnen werden.
Also sollten alle Bauteile von vorne herein im Zusammenhang
der gewünschten Leistung und Charakteristik
aufeinander abgestimmt sein.
Letztlich könnte das Ergebnis ungefähr so aussehen:

Für eine Suzuki aus den 70er Jahren ist die Kurve
deutlich flacher, jedoch ist die Ähnlichkeit zur 125er Rennsemmel
noch immer ersichtlich.

für 4-Takter
Zündkurve erstellen am Beispiel an einer VFR400RR NC30
Wir wissen aus dem Werkstatthandbuch, der ZZp beträgt
mit der originalen Zündbox 18° vor OT bei 1200 und 37°(+/- 2°)/12000.
Diese
Angaben sind natürlich dürftig.
Aus Erfahrung wissen wir: Beim 4-Takter fällt die Zündkurve anders als beim
2-Takter gegen Ende des Drehzahlbereiches
nicht oder nur wenig ab.
Und dieses Motörchen benötigt bei 3000/min schon
deutlich mehr Frühzündung als 18°,
ab etwa
5000-6000/min können 37° v.OT nötig sein.
Wir basteln uns zunächst eine Gerade als Zünd-"Kurve" und fangen mit
18° v.OT an (also der Basis-Vorzündung).
Dann 20°, 23°, 25° ...
Immer wenn die Leistung abfällt oder wir merken
"weiter drehen bringt nix", brechen wir die Messung ab,
so müssen
wir den Motor nicht immer bis zum Ende quälen. Die Maximalleistungen tragen wir
in eine Tabelle
ein und lassen die optimalen Zündzeitpunkte bei
der Programmierung in der Zündkurve.
Da wir etliche Messungen zu machen haben, lassen wir das Kühlgebläse während
der Umprogrammierung durchlaufen
und gehen
ab und an mal vor die Tür um mit der hübschen Nachbarin am Bäckerauto zu
flirten oder bloß um eine rauchen.
So steigen
die Temperaturen von Motor und Umgebung (Airbox,
Vergaser, Kraftstoff..) nicht unnötig an.
|
U/min : |
2000 |
3000 |
4000 |
5000 |
6000 |
7000 |
8000 -> |
|
° v. OT |
PS |
|
|
|
|
|
|
|
43 |
|
|
|
|
|
|
-> |
|
40 |
|
|
18 |
20 |
25 |
37 |
-> |
|
37 |
|
|
21 |
24 |
27 |
37 |
-> |
|
35 |
|
|
21 |
23 |
25 |
34 |
-> |
|
33 |
|
|
19 |
21 |
24 |
32 |
|
|
30 |
|
|
18 |
19 |
22 |
|
|
|
27 |
|
6 |
17 |
|
|
|
|
|
25 |
|
8 |
16 |
|
|
|
|
|
23 |
4 |
9 |
|
|
|
|
|
|
20 |
5 |
9 |
|
|
|
|
|
|
18 |
5 |
7 |
|
|
|
|
|
…und so weiter.
WICHTIG: Alle Messungen sollen bei gleichen Bedingungen durchgeführt werden
und eine Kühlung
des Auspuffes wie bei der Fahrt auf der Strecke
ist enorm wichtig. Ein zu heißer Auspuff verfälscht
alle Messwerte!
Die maximale Leistung der VFR400RR NC30 liegt in der Gegend von 12500-13500/min
an, diese wurde
mit 40° v.OT aber auch mit 2° weniger erreicht. Daher bleiben wir
dort der Standfestigkeit zuliebe bei 38° v.OT.
Die besten Leistungswerte übertragen wir nun in ein Diagramm welches dem
folgenden ähneln könnte.
